Cheesefunding, anybody?

Manuel Pestalozzi
7. Juni 2017
Das Graffiti wurde vor seinem Verschwinden in seiner ganzen Pracht zumindest fotografisch festgehalten. Bild: www1.wdr.de

Mein Vater hatte ein Patenkind, eine Architektentochter. Von ihr ging die Anekdote um, dass sie als kleines Kind auf Besuch vor einem Bild in die Hände klatschte und sagte: «Ach, ist das schön!» Um gleich anschließend die Stirne zu runzeln und rückzufragen: «Oder ist es Kitsch?»

Es ist nicht absolut auszuschließen, dass Kitsch schön sein kann oder zumindest die Kraft hat, etwas Freude zu spenden. In der kreisfreien Stadt Münster in Westfalen sorgt er aber für rote Architektenköpfe, wie der Redakteur aus der Westfalenpost erfahren hat. Die marode Docklandbebauung am Dortmund-Ems-Kanal «aufpimpen» und mit einer «Hafenkäserei» ergänzen, mag noch angehen. Dass die Bio-Manufaktur aber zwei junge Graffiti-Künstler beauftragte, die «triste Betonwand, die zum Hafenbecken blickt», in ein farbenfroh anarchisches Tableau zu verwandeln, mit dem aufgesprayten Motto «Make cheese not war», war des Guten zuviel.

Der fidele, pfeifenrauchende Seemann mit dem Käseklops-Kopf mobilisierte den Bund Deutscher Architekten Münster-Münsterland. Die plakativen Bilder verletzten nicht nur das Urheberrecht der Architekten Hartig Meyer Wömpner, sondern sie führten auch dazu, dass sich angesichts der bevorstehenden «Skulptur Projekte» die Stadt Münster vor der internationalen Kunstwelt blamiere, monierte der Fachverband. Dass ein Hafenkäse noch keinen Hafenkran macht, äußerte sich auch im Bedenken, Journalisten der großen Kunstmagazine würden sich «über die absurde Verhunzung einer ambitionierten Architektur als Zielpunkt des «Skulptur Projekte»-Stegs belustigen.» Auweia!

Man kann sich vorstellen, dass nicht ganz Münster diese Ansicht teilte. Aber die Meinung der Öffentlichkeit und das Urheberrecht sind zweierlei Ding. Das Landgericht Bielefeld wurde bemüht, und die Urheber-Architekten einigten sich dort mit den Eigentümern des Hafenkäse-Gebäudes. Hurtig wurde «Make cheese not war» übertüncht. Die Hafen-Ästhetik ist fürs Erste gerettet. Vielleicht sei die bisher gelaufene Debatte ja eine gute Gelegenheit, einen Dialog zwischen verschiedenen Kreativen zu suchen, sinniert die Jungunternehmerin Ann-Paulin Söbbeck, die das Graffiti in Auftrag gegeben hatte. Beim nächsten Anlauf ist ihr ein breit abgestütztes Cheesefunding zu empfehlen.

Verwandte Artikel

Vorgestelltes Projekt

Sieveke Weber Architekten BDA

Scheune für Lucia und Samuel

Andere Artikel in dieser Kategorie