Brandfalle WDVS?

Carsten Sauerbrei
20. Juni 2017
Der Brand des Grenfell-Towers weitete sich beginnend im 4. Obergeschoss über die Fassade auf nahezu alle Geschosse aus. (Bild: Natalie Oxford/CC BY 4.0)

Noch ist unklar, was das tragische Unglück in London auslöste und welche Faktoren es begünstigten. Eines steht jedoch fest: Die Diskussion um die Brandsicherheit von Fassaden, die so wie in London mit brennbaren Kunststoffen gedämmt sind, muss auch in Deutschland geführt werden, schon allein um möglichen Schaden abzuwenden. Dabei könnte das Londoner Unglück in Deutschland so nicht passieren, da die dort verbauten 150 mm starken PIR-Platten hierzulande nur bis zu einer Gebäudehöhe von 22 m zugelassen sind.

Kamineffekt durch Hinterlüftung

Aber auch in Deutschland treten immer wieder Fassadenbrände auf, wie der am 1. April in Waiblingen, bei denen sich das Feuer, so wie in London, innerhalb kürzester Zeit großflächig ausbreiten kann. Im Fall des Grenfell-Towers wird vermutet, dass die Hinterlüftung der ebenfalls brennbaren Vorhangfassade aus 3 mm starken Reynobond-Aluminium- Verbundplatten mit Polyethylenkern das Entstehen eines Kamineffekts erst ermöglicht haben könnte. Laut Bericht des Guardian vom 15. Juni seien von den Architekten der 2016 abgeschlossenen Sanierung Brandriegel vorgeschlagen worden, um ein Übergreifen des Feuers von Geschoss zu Geschoss und auf die Wohnungen zu verhindern. Ob diese jedoch eingebaut wurden, sei nicht geklärt. Außerdem hätte der vermutete Brandauslöser, ein explodierter Kühlschrank im 4. Obergeschoss, diese auch beschädigt haben können.

Der 1972-74 erbaute Grenfell-Tower wurde 2015-2016 saniert und erhielt dabei eine neue, durch den Brand zerstörte Wärmedämmverbund-Fassade. (Bild: Robin Sones, CC BY 2.0/Natalie Oxford, CC BY 4.0)

Brandriegel auch für den Bestand?

Auf Grund der Analyse von Bränden, die außerhalb von wärmegedämmten Gebäuden in Fassadennähe ausgelöst wurden, sind in Deutschland seit dem 1. Juni letzten Jahres die Brandschutzregeln für neue Wärmedämmverbundsysteme mit EPS-Dämmstoffen über 10 cm Stärke für Gebäude mit mehr als drei Geschossen verschärft worden. Seither sind dafür Brandriegel zusätzlich an der Unterkante des WDVS sowie in Höhe des ersten und dritten Obergeschosses vorgeschrieben. Dies gilt jedoch nicht für den Bestand, sodass bei diesem die Gefahr der unkontrollierten und schnellen Ausbreitung des Feuers weiter besteht. Daher ist es richtig, wenn der bayrische Innenminister laut Westdeutscher Allgemeiner Zeitung vom 15. Juni nun fordert, den Brandschutz bei WDVS-Fassaden insgesamt zu überprüfen. Wenigstens eine Ausweitung der Regeln auf den Bestand und auf alle entflammbaren Dämmstoffe nach dem seit Juni letzten Jahres vorgeschriebenen Standard, sollte das Ergebnis dieser Überprüfungen sein. 

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