Zwei neu gestaltete Museen und das neue Konzerthaus festigen Wrocławs Ruf als Kulturmetropole

Wrocław – mehr als Welterbe

Carsten Sauerbrei
19. Oktober 2016
Wrocław präsentiert sich im Kulturhauptstadtjahr 2016 als geschichtsträchtige und dennoch moderne Architekturmetropole. (Bild: Dariusz Sankowski)

Wrocław, als Breslau bis 1945 Hauptstadt Schlesiens, war seit dem frühen Mittelalter eine der bedeutendsten Städte der deutschen Bau- und Architekturgeschichte. Auch heute noch findet der Besucher eine Vielzahl architektonischer Meisterwerke der verschiedensten Epochen. Wrocław besitzt mit der gotischen Kathedrale «St. Johannes der Täufer» und der frühmodernen Jahrhunderthalle von Max Berg zwei UNESCO-Welterbestätten sowie einen reichen Baubestand von Barock bis Klassik und ist darüber hinaus eine Stadt der Architekturmoderne mit Gebäuden von Architekten wie Hans Scharoun, Erich Mendelsohn und Hans Poelzig. Nach dem zweiten Weltkrieg führten polnische Architekten die Traditionen der Moderne fort, sodass mit der Bebauung rund um den Plac Grunwaldzki oder dem brutalistischen Gebäude für das Panorama Racławicka anspruchsvolle Werke der Nachkriegsmoderne entstanden. Seit der politischen Wende 1989 und verstärkt nach Polens EU-Beitritt 2004 wurde in Wrocław nicht nur die mittelalterliche Altstadt aufwändig saniert.
Wrocław fand ebenso wieder Anschluss an die internationale Architekturszene mit Gebäuden wie dem 2011 eröffneten Fußballstadion von «sop architekten», Düsseldorf und JSK Architekci, Polen.

Das 1965 gegründete Architekturmuseum befindet sich in den spätgotischen Räumen eines einstigen Klosters. (Bild: Maciej Lulko)

Neues Leitsystem verbindet Zeitschichten

Wer Wrocławs reiche Baugeschichte erleben möchte und sehen, wie polnische Architekten mit historischem Bestand umgehen, dem sei der Besuch von Polens einzigem Architekturmuseum (Muzeum Architektury) empfohlen. 1965 in den Räumen eines ehemaligen spätgotischen Zisterzienserklosters eröffnet, zeigt es unter anderem Architekturobjekte und -zeichnungen von Gotik bis Jugendstil, Werksammlungen polnischer Architekten nach 1945, aber auch das Bauarchiv der Stadt mit Entwürfen von in Breslau tätigen deutschen Architekten. Nach 40-jähriger Nutzung und vielen Ad-hoc-Umbauten erhielt das Büro «arch_it» der Wrocławer Architekten Piotr Zybura und Iga Peruga den Auftrag, die Ausstellungsarchitektur einheitlich neu zu gestalten und ein neues, übersichtliches Leitsystem zu entwickeln, das die verschiedenen Ausstellungsräume zusammenfasst und miteinander verbindet.

Bei der Neugestaltung blieb die Einrichtung der 1960er-Jahre erhalten und wurden durch ein neues, neutral schwarz- weißes Leitsystem ergänzt. (Bild: Maciej Lulko)

Die Architekten behielten die Einbauten der 1960er bis 1980er-Jahre wie stählerne Treppen und Galerieebenen, aber auch Natursteinfußböden bei, bekleideten diese jedoch großflächig mit dem neuen Leitsystem. Dieses entwarfen sie als neutralen schwarz-weißen Ausstellungshintergrund, setzten jedoch einzelne, rote Farbakzente, sodass es zusammen mit der lebendig wirkenden Typographie niemals langweilig erscheint. Kostengünstig und mit wenigen Mitteln schafft es diese Neugestaltung zusammen mit der ebenfalls in weiß gehalten Ausstellungsarchitektur tatsächlich hervorragend, die verschiedenen Räume und deren heterogene Formensprache als einheitlichen Ausstellungsraum erscheinen zu lassen.

Das neue Eingangsgebäude des Wassermuseums Hydropolis befindet sich auf dem Gelände eines Wasserwerks. (Bild: Europejski Instytut Miedzi)

Einst Frischwassertank, heute multimediales Museum

Ebenfalls um eine Neugestaltung eines historischen Gebäudes handelt es sich beim Wassermuseum «Hydropolis – Knowledge Centre of water», das Anfang dieses Jahres in einem ehemaligen, unterirdischen Frischwassertank aus dem Jahr 1893 eröffnet wurde. Auf dem Gelände des Wasserwerks «Na grobli» schuf das Team von ART FM Kraków eine 4000 qm große, multimediale Ausstellungslandschaft, in der das Element Wasser in acht Themenräumen aus den verschiedensten Perspektiven präsentiert wird.

Im Inneren eines einstigen, unterirdischen Frischwassertanks richteten die Architekten eine multimediale Ausstellungslandschaft ein. (Bild: ART FM)

Um einen zusammenhängenden Raum zu schaffen und damit einen Rundgang zu ermöglichen, öffneten die Architekten die ursprünglich geschlossenen Kammern des Wasserreservoirs. Den ruhigen Hintergrund für eine Ausstellung, die mit Interaktivität und dem Einsatz digitaler Medien vor allem ein junges Publikum ansprechen soll, bilden graue Betonfußböden und -wände sowie das historische, ebenfalls betongraue, flache Tonnengewölbe. Prägend für den denkmalgeschützten Bestand ist die weitgehende Verwendung von Ziegel als Baumaterial. Um an dessen Farbe anzuknüpfen und dennoch eigene Gestaltungsakzente zu setzen, fiel die Wahl der Architekten bei der Materialsuche für die Neubauteile auf Kupfer, das zudem bevorzugtes Material für Wasserrohre ist. Kupfer wird großflächig im Inneren, im neuen Foyer als Wandbekleidung und im Äußeren als Fassadenmaterial und Dacheindeckung eingesetzt.

Beim neuen Eingangsgebäude setzten die Architekten großflächig Kupfer ein, das Assoziationen an Wasserrohre und die Farbe von Ziegelsteinen wecken soll. (Bild: Shotmate)

Dass den Besucher in diesem Museum, neben einer gelungenen Neugestaltung und Umnutzung eines historischen Gebäudes vor allem digitale Effekte und Interaktivität erwarten, wird bereits am Eingang sichtbar. Dieser befindet sich hinter einem digital steuerbaren Wasservorhang von Lumiartecnia Internacional, der bei Annäherung wie ein Vorhang im Theater zur Seite fährt und den Weg zum Eingang freigibt.

Inspiration für den Baukörper des «Nationalen Musikforums» war der hölzerne Corpus eines Saiteninstruments. (Bild: Piotr Krajewski)

Instrumente inspirieren Architektur

Auch ein Kulturgebäude, jedoch der Musik und damit dem Element Luft, nicht dem Wasser gewidmet, ist Wrocławs Anfang September vergangenen Jahres eingeweihtes, neues Konzerthaus, das »Narodowe Forum Muzyki (NFM)”. Bereits 2005 gewann der mittlerweile verstorbene Warschauer Architekt Stefan Kuryłowicz mit seinem Büro «Apaka - Kuryłowicz & Associates Architecture Studio» den internationalen Architekturwettbewerb für das «Nationale Musikforum». Das Gebäude beherbergt nicht nur einen großen Konzertsaal für bis 1800 Personen, sondern auch zwei Kammermusiksäle und darüber hinaus ein Aufnahmestudio, Konferenz- und Büroräume, eine Bibliothek sowie Cafés und Buchhandlungen für Musikliebhaber.

Das Foyer des «Nationalen Musikforums» soll Assoziationen an eine Klaviertastatur wecken. (Bild: Daniel Chrobak)

In Form und Gestaltung ließen sich die Architekten von Musikinstrumenten inspirieren. So ähnelt der sechsgeschossige, holzverkleidete Baukörper dem Corpus eines Saiteninstruments, aus dem sich der mit gold-eloxierten Aluminiumtafeln verkleidete Konzertsaal heraushebt, der einem Blechblasinstrument gleichen soll. Auch im Inneren des Gebäudes setzt sich dieses Spiel mit Assoziationen fort. Die geschwungenen, mit weißem und schwarzem Corian bekleideten Foyertreppen sollen daher auch an die Tasten eines Klaviers erinnern. Zusammen mit den in Teilen goldfarben schimmernden Wänden entsteht eine festliche Raumatmosphäre. Diese zu schaffen, ohne auf Ornamentik oder andere Verzierungen zurückzugreifen, sei tatsächlich auch das Ziel gewesen, so die Architektin und heutige Inhaberin des Architekturbüros APAKA, Ewa Kuryłowicz.

Der funktional gestaltete, große Konzertsaal besticht durch seine hervorragende Akustik. (Bild: Piotr Krajewski)

Der in warmen Brauntönen gehaltene, große Konzertsaal wirkt dagegen nüchterner und funktionaler. Er ist mit seiner leicht ovalen Form und den bis hinter die Bühne gezogenen Zuschauerreihen eine Mischung aus dem klassischen Saaltyp, bei dem Bühne und Zuschauer sich gegenüberstehen, und dem mittenbetonten Typus eines Hans Scharoun, wo sich die Zuschauer gleichmäßig um die Bühne herum gruppieren. Die hervorragende Akustik der Konzertsäle, die unter Verwendung des «Box in box»-Prinzips, von Akustiksegeln sowie Nachhallkammern erreicht wurde, entstand in Zusammenarbeit mit den Planern der Büros Arup und Artec aus New York, die unter anderem auch für die Akustik der Konzerthalle «Harpa» in Reykjavik verantwortlich zeichneten. Auch wenn in Wrocław kein ganz so spektakuläres und zeichenhaftes Gebäude entstand wie dort, in der isländischen Hauptstadt, so besitzt die Architektur doch eine große Ausstrahlung, die vor allem nachts, bei beleuchtetem Foyer bis weit in die Stadt hinaus reicht.

Die vorgestellten Gebäude, sind nur drei einer ganzen Reihe von realisierten und geplanten Kulturgebäuden, die in Wrocław in den letzten zehn Jahren entstanden und die Stadt nicht nur im Kulturhauptstadtjahr 2016 als moderne europäische Kulturmetropole erscheinen lassen. Zusammen mit dem reichen historischen Erbe und weiteren zeitgenössischen Bauprojekten wie dem Konferenzzentrum an der Jahrhunderthalle oder dem beispielhaft sanierten Hauptbahnhof ist Wrocław auf jeden Fall eine Architektur-Reise wert.

Carsten Sauerbrei hat Architektur und Architekturvermittlung in Potsdam und Cottbus studiert. Seit 2009 arbeitet er als freier Architekturjournalist und Stadtführer in Berlin und Potsdam. Er ist Inhaber von architekTour B, einer Agentur für Architekturführungen.

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Lesen Sie mehr über Wrocław in unserem ersten Beitrag zur Kulturhauptstadt des Jahres 2016.

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