Gemeinsam forschen

Gerber Architekten
28. Februar 2018
Ansicht des Zentrums für integrative Infektionsforschung in Heidelberg mit dem vorgelagerten Botanischen Garten (Foto: HG Esch)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Mit dem neuen Zentrum für Integrative Infektionsforschung - Centre for Integrative Infectious Disease Research (CIID) verfolgt die Universität Heidelberg einen in Deutschland bisher einmaligen Ansatz: in Kombination modernster Methoden der Biophysik, Physikalischen Chemie, Chemischen Biologie und Nanotechnologie wird exzellente Grundlagenforschung an medizinisch bedeutsamen Infektionserregern betrieben. Die Integration unterschiedlicher Disziplinen wird durch die Arbeit in gemeinsamen Labor- und Bürobereichen sowie durch die gemeinsam genutzte Infrastruktur gefördert.

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Die direkte Nähe zum vorgelagerten Botanischen Garten der Universität Heidelberg war Anlass, die dorthin gewandte Südfassade mit einem möglichst hohen Anteil an Verglasungen auszubilden, um vielfältige Blickbeziehungen ins Grüne zu schaffen. Auch das auf dem Heidelberger Campusgelände vorgefundene, strenge 1960er-Jahre-Gebäudecluster, das Theoretikum, nahm starken Einfluss auf die Entwicklung der Gebäudekonzeption, hier ein ergänzendes «Puzzlestück» in dem vorgefundenen Cluster auszubilden. Inhaltlich haben wir uns für dieses spezielle Forschungs- und Laborgebäude die Aufgabe gestellt ein intern «offenes» Haus zu entwickeln, in dem die Kommunikation der unterschiedlichen Disziplinen schon auf dem Weg durch das Gebäude gefördert wird: mit einer Magistrale, einer über alle Geschosse gehenden, offenen Treppenanlage und den Flurbereichen, die zusammen vielfältige Möglichkeiten zur Begegnung und Kommunikation auch über die Etagen hinweg ermöglichen.

Hinter den durchgehenden Fensterbändern der Nordfassade liegen die Laborbereiche (Foto: HG Esch)
Großzügiger Blick aus dem Besprechungsraum direkt auf den vorgelagerten Botanischen Garten der Universität Heidelberg (Foto: HG Esch)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

In unmittelbarer Nachbarschaft zu führenden Forschungseinrichtungen der Medizin und der Naturwissenschaften fügt sich der Neubau wie ein „Schlussstein“ in das bestehende 1960er-Jahre-Cluster des „Theoretikums“ ein, während er sich mit seiner klaren Kubatur und anthrazitfarbenen Fassade sehr eigenständig präsentiert. Die Südfassade mit ihren größeren, quadratischen Fensterflächen nimmt die orthogonale Struktur der Beetanlagen des Botanischen Gartens auf. Zu dieser Südseite hin liegen alle Büro- und Besprechungsräume. Die vollverglaste Erdgeschosszone lässt das Gebäudevolumen des CIID nahezu schweben und erzeugt so einen fließenden Übergang zwischen Außen- und Innenraum. Auf der Nordseite liegen hinter den durchgehenden Fensterbändern die Laborlandschaften, die unterschiedliche Anforderungen an Sicherheitsstufen (S2 und S3) erfüllen.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Das Zentrum für integrative Infektionsforschung (CIID) ist vom Bauherrn, dem Land Baden-Württemberg vertreten durch das Bauamt Mannheim und Heidelberg, seinerzeit auf den Weg gebracht worden, um den internationalen Ruf der Universität Heidelberg als einer der weltweit führenden Forschungsstandorte zu sichern und weiter auszubauen. So konnte mit diesem Zentrum ein bisher einzigartiger Ansatz realisiert werden: Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen unter einem Dach zusammen zu führen, um gemeinsam an aktuellen Themen zu forschen und den fachlichen Austausch zu befördern und anzuregen. Im Inneren wird diese Forschungseinrichtung durch eine orientierungsgebende Magistrale mit einem geschossübergreifenden hellen Luftraum sowie der offenen Kaskadentreppe in einen Labor- und Bürobereich unterteilt. Dieser über alle Geschosse durchlaufenden Weg begünstigt die Begegnung und Kommunikation untereinander. Zudem ermöglicht eine zweigeschossige Brücke eine direkte Verbindung zum Nachbargebäude und schließt damit an das „Theoretikum“ an.

Ein variables Installationskonzept und ein modular aufgebautes Laboreinrichtungssystem ermöglichen eine flexible Grundrissgestaltung der Labore (Foto: HG Esch)
Die Laborbereiche müssen unterschiedliche Anforderungen erfüllen um die notwendigen Sicherheitsstufen 2 und 3 zu erfüllen (Foto: HG Esch)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

In der Vorplanungsphase wurden die ersten Entwurfsideen immer auch im Hinblick auf den möglichen Kostenrahmen entwickelt. Im Laufe der Planungsphase kam es seitens des Bauherrn zu einer Reduzierung des Raumprogramms, dies führte zu ersten Umplanungen des Ursprungsentwurfs. Die anfangs vorgeschlagene vollverglaste und begrünte Südfassade hat sich im Laufe der Bearbeitung zu einer Fassade mit einer Vielzahl einzelner Fensteröffnungen entwickelt – ohne den Gedanken auf den Botanischen Garten zu reagieren aufzugeben, sondern im Gegenteil, den Gedanken mit der jetzigen Fassade, noch zu verstärken, indem die Ausblicke durch die einzelnen Fenster fokussiert werden.

Blick entlang der Magistrale mit den dazugehörenden Lufträumen und den anliegenden Flurbereichen (Foto: HG Esch)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Schon in der Entwurfsfindung wurden energetische Aspekte von Beginn an berücksichtigt. So entwickelte sich auch frühzeitig das Konzept einer natürlichen Nachtabkühlung für die südlichen Büro- und Besprechungsräume. Das bedeutet eine automatische, nächtliche Öffnung von Fensterelementen, den Parallelaufstellfenstern, in der Außenfassade und den im Flurbereich liegenden Türoberlichtern. Hierüber strömt kalte Luft von außen bis in die Magistrale hinein und wird über Öffnungen im Dach wieder abgeführt. Die Magistrale, als entwurfsbestimmendes Element, sorgt mit ihren Lufträumen demnach nicht nur Querverbindungen sondern gleichzeitig auch für eine energieeinsparende natürliche Nachtabkühlung der Räumlichkeiten im Inneren des Gebäudes. Die Laborbereiche sind alle nach Norden hin orientiert, die Büro- und Besprechungsräume mit Blick in den Botanischen Garten nach Süden. Im inneren Kern des als Dreibund organisierten Gebäudes sind die Technik- und sonstigen notwendigen Nebenräume untergebracht.

Der Lageplan zeigt wie sich der Neubau als «Schlussstein» in das 1960er-Jahre Cluster des „Theoretikums“ der Universität Heidelberg einfügt (Zeichnung: Gerber Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Gerber Architekten)
Das Funktionsschema zeigt die natürliche Nachtabkühlung: über Öffnungen in den Fenstern der Aussenfassade strömt kalte Luft in das Gebäude hinein und zieht über die Oberlichter der Flurtüren durch die Magistrale nach oben, nimmt die warme Luft im Inneren auf und führt diese über das Dach wieder ab. (Zeichnung: Gerber Architekten)
Zentrum für Integrative Infektionsforschung (CIID) der Universität Heidelberg
2017
Im Neuenheimer Feld 344
69120 Heidelberg

Nutzung
Forschungs-und Laborgebäude

Auftragsart
VgV – Verfahren / Verhandlungsverfahren

Bauherrschaft
Vermögen und Bau Baden-Württemberg
Amt Mannheim und Heidelberg

Architektur
Gerber Architekten, Dortmund
Projektdirektor: Michael Halbeisen
Projektleiter: Thomas Felder
Stellvertr. Projektleiterin: Svea Franzke
Projektbearbeiter/innen: Alexander Zurl, Stefan Lemke
Freianlagen: Axel Kubitza
Innenarchitektur: Mareike Köhler, Gretha Kröck
Bauleitung: Paul Pfeuffer, Wolf-Dieter Kerber, Ralf Schneider

Fachplaner
Laborplanung: Teamplan GmbH, Tübingen
Tragwerksplanung: B+F Ingenieure, Mannheim
Schallschutz: ITA Ingenieurgesellschaft für technische Akustik mbH, Wiesbaden
Bauleitung: Gerber Architekten, Dortmund

Kunst am Bau
Matt Mullican, Berlin Studio
„Einhundertundachtzwanzig“
Handbemalte Glasplatten / Hängung Innenwände

Ausführende Firmen
Erdbau / Verbau: Orth, Eppelheim
Rohbau: Hörnig, Aschaffenburg
Fassade: Vordran, Kleinwenkheim + AS Ausbau Service GmbH, Suhl
Dach: Werder Bedachungen GmbH, Leutersdorf
Metallbauarbeiten: Beck Stahlbau GmbH, Cleeborn + Reiher, Limbach-Oberfranken
Trockenbau: Jaeger Ausbau, Wölfersheim
Sanitär: Kleissner GmbH, Mannheim
Elektro: Kühn Elektrotechnik, Karlsruhe
Heizung: Protec GmbH, Heidelberg
Labor: Wesemann GmbH, Schkeuditz

Hersteller
Fassade: STO Ventec
Beschichtung Fassade: STO Pox 100
Glasfassade: Schüco (FW50+SHI)
Sonnenschutz: Außen Hella Raffstore
PVC: Gerflor Tarkett Tarklay – Ableitfähigkeit Tarkett Primo SI
Blendschutz: Innen Brichta
Türen: Neuform - Antrieb Dorma

Energiestandard
EnEV 2019 für Neubauten eingehalten

Bruttogeschossfläche
5.380 m²

Gebäudevolumen
23.428 m³

Kubikmeterpreis
875 € / m³

Gebäudekosten
16.500.000 € (Kostengruppen 300+400 brutto)

Gesamtkosten
20.500.000 €

Fotos
HG Esch

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